Während das Zukunftsthema Artificial Intelligence (AI) in akademischen Fachkreisen schon seit langer Zeit intensiv diskutiert wird, ist es im Bewusstsein breiterer Bevölkerungsschichten eher schubweise angekommen, zuletzt mit der Popularisierung allgemein zugänglicher Anwendungen wie ChatGPT, Midjourney und dergleichen. Auch im Marketingbereich gewinnt die Thematik der gegenwärtigen und künftigen Rolle von künstlicher Intelligenz zunehmend an Gewicht, beispielsweise im Hinblick auf die automatische Erstellung von Inhalten zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) sowie deren Auswirkung auf das Ranking. Gleichzeitig stellt sich natürlich auch die Frage, inwiefern nicht auch die Funktionsweise von Suchmaschinen selbst durch AI fortentwickelt beziehungsweise transformiert werden könnte.
Einige vorläufige Antworten auf diese Frage findet man aktuell unter dem Titel “Search Generative Experience” (SGE) – hierbei handelt es sich um ein AI-gestütztes Google-Search-Update, das ab Mitte Mai 2023 einem grösseren Teil an ausgewählten Usern zum Testen zur Verfügung gestellt wurde. Als Portal fungiert dabei das Programm Search Labs, das unter bestimmten Bedingungen den Zugriff auf experimentelle Ansätze aus der Innovationsabteilung des Suchmaschinengiganten ermöglicht (die genauen Zugangsregelungen werden dabei über ein Anmeldesystem samt Warteliste geregelt). Seit dem Debüt von SGE wurden nach Angaben des Konzerns bereits einige Updates und Feinabstimmungen eingearbeitet. Als Hauptmerkmal kann die Integration von generativem AI-Content (also völlig neu erstelltem, für die Suchanfrage relevantem Inhalt) in die Ergebnisseiten von Google ausgemacht werden.
Inhalt
Google-Suchergebnisse und AI: eine neue Methode der Informationsaufbereitung
Im Laufe der mehr als 25-jährigen Geschichte von Google wurden und werden laufend Aktualisierungen, Überholungen und Fortentwicklungen in das bekannte Suchmaschinen-Format eingearbeitet. Bei vielen dieser Veränderungen spielt auch künstliche Intelligenz eine tragende Rolle (als Beispiele hierfür sei etwa die Bildsuche via Google Lens angeführt). Die Grundidee hinter Search Generative Experience besteht nun laut Angaben des Konzerns darin, das Leistungsvermögen der Suchmaschine auf eine neue Ebene zu heben, um die Beantwortung von komplexeren Fragestellungen und die dafür notwendige Art der Aufbereitung von kontextualisierenden Informationen zu ermöglichen.
Anders gesagt soll SGE laut Google dazu beitragen, den Arbeitsaufwand beim Arbeiten und Recherchieren mit Suchmaschinen zu reduzieren sowie Anwendern dabei helfen, den betreffenden Sachverhalt schneller zu durchdringen. Hierzu streben die unternehmenseigenen Entwickler unter anderem danach, zusätzliche Perspektiven und Ansichten auf eine Thematik zu integrieren. Aus User-Sicht soll es nach Umsetzung der einschlägigen Updates in Zukunft möglich sein, die hinter der Suchanfrage stehende Intention möglichst direkt und ohne Umschweife zu befriedigen, ohne die Unmengen an theoretisch relevanten Informationsfragmenten selbst filtern und zu einer umfassenden Antwort zusammenfügen zu müssen.
Direkte Antworten statt Informationsflut: Wie Search Generative Experience in der Praxis funktionieren soll
Als Beispiel für die Funktionsweise von Search Generative Experience verweist Google auf die (hypothetische) Suchanfrage folgenden (bewusst lapidar formulierten) Wortlauts: “What’s better for a family with kids under 3 and a dog, bryce canyon or arches?” – zu Deutsch: Was ist besser für eine Familie mit Kindern unter drei Jahren und einem Hund – der Bryce-Canyon der der Arches-Nationalpark? Hierbei handelt es sich um eine Frage, die sich unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten lässt und gleich mehrere Ebenen berührt (Vorgaben zur Mitnahme von Hunden, kindgerechte Einrichtungen und Führungen, Beschaffenheit der Wanderwege und Routen usw.). Nach einem klassischem Verständnis von Suchmaschinen müsste man diese Frage wohl in mehrere Unterfragen aufsplitten und die relevanten Informationen eigenhändig zusammentragen, bei SGE erscheint als Antwort hingegen ein kurzer, flüssiger formulierter, zusammenfassender Text – ähnlich, wie man es von ChatGPT bereits kennt.
Zusätzlich zu diesem kleinen Antwort-Essay wartet SGE mit einer Reihe von Verweisen auf an relevant erachtete Quellen für seine Ausführungen auf und bietet darüber hinaus eine Auswahl an naheliegenden Follow-up-Suchanfragen (Beispiel: “How many days do you need in Arches National Park for kids?” – “Wie viele Tage sollte man im Arches-Nationalpark mit Kindern verbringen?”). Klickt man diese Vorschläge an, so wird Google zufolge eine Art Dialogformat eröffnet, das als Rahmen für vertiefende Frage-Antwort-Konversationen dient. All diese Neuerungen dürfen freilich nicht als definitive oder letztgültige Entscheidungen seitens Google im Umgang mit künstlicher Intelligenz gewertet werden, geben aber sehr wohl Aufschluss über die derzeitige Stossrichtung.
AI-Integration von Google: mögliche Auswirkungen auf das digitale Marketing
Aus Marketing-Sicht besonders interessant ist die Frage, wie Search Generative Experience die kommerzielle Funktionsweise von Suchmaschinen im Hinblick auf den Online-Handel verändern könnte. Auch in dieser Hinsicht betont das Unternehmen das Grundprinzip der Vereinfachung und Beschleunigung komplexer Informationsbeschaffungs- und Entscheidungsprozesse sowie den Anspruch, Nutzern ein sowohl relevantes als auch umfassendes Ergebnis zu liefern. Um dies zu bewerkstelligen, generiert SGE bei produktbezogenen Anfragen eine Reihe an massgeblichen Kriterien in Kombination mit dazu passenden Angeboten, Beschreibungen, Bewertungen, Rezensionen und Preisen für die jeweilige Kategorie. Als Datenbasis dient der “Google Shopping Graph” mit seinen mehr als zwei Dutzend Milliarden an Einträgen.
Bei der Umsetzung von Search Generative Experience legt Google eigenen Aussagen zufolge besonderen Wert auf die Verbreiterung der Informationsbasis, um dem Bedürfnis seiner Nutzer nach den bereits vorhandenen Erfahrungswerten anderer Menschen im Hinblick auf die jeweilige Suchintention Rechnung zu tragen. Eine wichtige Information für Marketer in diesem Zusammenhang: Auch bezahlte Anzeigen sollen dabei laut Google weiterhin eine gewichtige Rolle spielen. Der aktuellen Funktionsweise von SGE folgend erscheinen diese also im Grunde wie gewohnt im Umfeld der Suchergebnisse und in vom übrigen Inhalt klar unterscheidbarer Form.
SGE von Google: derzeitige Limitationen und Perspektiven im Überblick
Ungeachtet der vielversprechenden Neuerungen, die durch die Weiterentwicklung von Search Generative Experience mittelfristig auch dauerhaft in die Welt des Suchmaschinen-Marketings Einzug halten könnten, sind gewisse Einschränkungen und Limitationen derzeit noch nicht von der Hand zu weisen. Diese Tatsache wird von Google auch eingestanden und mit dem Versprechen eines verantwortungsvollen Zugangs kombiniert, der den etablierten Qualitätsstandards für die Suchfunktion gerecht wird. Zu diesem Zweck wurden den Ausführungen des Unternehmens zufolge auch zusätzliche Sicherungsvorkehrungen getroffen, beispielsweise die bewusste Einschränkung der Themenkreise, zu denen Ergebnisse im SGE-Format ausgespielt werden.
Eine dem ersten Anschein nach noch nicht völlig behobene Schwachstelle stellt beispielsweise die Quellenkritik dar. So kann es verschiedenen Testberichten durch Erstanwender zufolge durchaus vorkommen, dass Search Generative Experience auf bestimmte Quellen bei der Generierung seiner Inhalte zwar zurückgreift, diese aber nicht vollständig anführt. Ganz ähnlich scheint es verschiedentlich vorzukommen, dass Quellen und Inhalte einander durch SGE nicht korrekt zugeordnet werden. Weniger ein Problem als eine bewusste Entscheidung seitens Google könnte die Praxis darstellen, bezahlte Anzeigen gelegentlich oberhalb der AI-generierten Inhalte anzuzeigen. Ähnliches gilt wohl für das verstärkte direkte Heranziehen von Marken- oder Anbieterseiten oder auch Social Media als (Teil-)Quellen.
Fazit: Google Search Generative Experience und seine Implikationen aus Marketing-Sicht
Die kontextualisierend-zusammenfassende Logik der Informationsaufbereitung durch Search Generative Experience wird für Marketer wohl einen gewissen inhaltlichen Zugzwang nach sich ziehen. Die angestrebte Verbreiterung der Informationsbasis durch die stärkere Miteinbeziehung von Social Media oder auch von anbieterspezifischen Informationen bietet jedoch auch neue Erschliessungspotentiale, während die weiterhin gute Sichtbarkeit und prominente Platzierung von bezahlten Anzeigen bewährte Kontinuität verspricht. Welche langfristige Wirkung das Projekt in der Praxis tatsächlich entfalten wird, lässt sich in dieser frühen Phase aber noch nicht definitiv sagen.
Sie möchten mehr über Search Generative Experience erfahren? Gerne braten wir Sie persönlich.